Der zweite Weihnachtstag gehört den Besuchen, den Erinnerungen und den Geschichten von früher.

Wenn Familien zusammenkommen, entstehen Momente, die leise bleiben und lange wirken.

Viel Spaß mit dieser Gute-Nacht-Geschichte.

...

Der zweite Weihnachtstag begann mit Bewegung.

Nicht hektisch.

Aber voller Vorfreude.

Ludwig zog sich seine dicke Jacke an.

„Heute fahren wir zu Mamas Geschwistern“, sagte er.

Sibille band sich den Schal ganz fest um den Hals.

„Mit den drei Cousins“, ergänzte sie zufrieden.

Mama lächelte.

„Genau. Und dort gibt es wieder ein anderes Wohnzimmer.“

Papa lachte leise.

„Und andere Geschichten.“

Die Fahrt war ruhig.

Draußen zogen Felder vorbei.

Schneereste glitzerten am Straßenrand.

„Meinst du, sie erzählen wieder von früher?“, fragte Sibille.

Mama nickte.

„Bestimmt.“

„Von Dingen, die schon lange vorbei sind“, fügte Papa hinzu.

Ludwig dachte kurz nach.

„Dann werden sie wieder lachen, obwohl es alte Geschichten sind.“

Mama sah ihn überrascht an.

„Ja“, sagte sie.

„Genau das passiert dann.“

Das Haus der Geschwister war voller Stimmen.

Schon beim Öffnen der Tür hörte man Lachen.

Jacken wurden aufgehängt.

Schuhe ausgezogen.

„Da seid ihr ja!“, rief die Tante.

Die Kinder fielen sich in die Arme.

„Kommt rein, es ist warm“, sagte der Onkel.

Und warm war es wirklich.

Ein anderes Wohnzimmer.

Andere Möbel.

Aber dasselbe Gefühl.

Alle setzten sich.

Die Erwachsenen auf das große Sofa.

Die Kinder auf den Teppich.

Ein Tisch stand in der Mitte.

Mit Keksen.

Und Tee.

Und einem kleinen Krug Kakao.

„Weißt du noch“, begann die Tante und sah Mama an,

„wie wir früher an Weihnachten unter dem Tisch gespielt haben?“

Mama lachte.

„Und immer so getan haben, als würden wir nichts hören.“

Papa schmunzelte.

„Dabei habt ihr alles mitbekommen.“

Die Geschichten flossen langsam.

Von alten Weihnachtsfesten.

Von schiefen Tannenbäumen.

Von Geschenken, die ganz anders waren als gedacht.

„Einmal“, sagte der Onkel,

„habe ich Socken bekommen und war trotzdem glücklich.“

Die Kinder schauten ihn erstaunt an.

„Wirklich?“, fragte einer der Cousins.

Der Onkel nickte.

„Weil wir alle zusammen waren.“

Ludwig hörte genau zu.

Sibille auch.

In einer Ecke des Wohnzimmers saß ein kleiner Fuchs.

Ganz still.

Niemand wusste, wie er hereingekommen war.

Aber niemand wunderte sich.

Er hatte sich zusammengerollt.

Seine Ohren waren gespitzt.

Als würde er jedes Wort sammeln.

„Vielleicht“, flüsterte Sibille Ludwig zu,

„nimmt er die Geschichten mit.“

Ludwig nickte.

„Damit sie nicht verloren gehen.“

Als es draußen dunkler wurde, wurde es drinnen gemütlicher.

Die Stimmen wurden leiser.

Die Geschichten wärmer.

Mama erzählte von ihrer Kindheit.

Der Onkel von seinem ersten Weihnachtsbaum.

Die Tante von einem Fest, das ganz anders geplant war.

„Und trotzdem schön war“, sagte sie leise.

Alle nickten.

Später, als sie sich verabschiedeten,

fühlte sich niemand müde an.

Nur zufrieden.

„Der zweite Weihnachtstag ist anders“, sagte Sibille im Auto.

„Nicht so aufregend.“

Ludwig sah aus dem Fenster.

„Aber er bleibt.“

Mama drehte sich zu ihnen um.

„Ja“, sagte sie.

„Weil er aus Erinnerungen besteht.“

Der kleine Fuchs war ihnen nicht gefolgt.

Er war im Wohnzimmer geblieben.

Zwischen all den Geschichten.

Und vielleicht,

wenn irgendwann wieder jemand davon erzählt,

sitzt er ganz leise dabei

und hört zu.