Im Herbst liegen Kastanien überall am Boden. Viele Kinder basteln daraus kleine Männchen. Doch was kaum jemand weiß: In Vollmondnächten werden die Kastanienfiguren lebendig, tanzen und singen leise Lieder.

Viel Spaß mit dieser Gute-Nacht-Geschichte.

...

Es war ein klarer Herbstabend.

Die Blätter rauschten leise, und der Mond hing groß und rund am Himmel.

Anna und ihr Bruder Jonas hatten am Nachmittag Kastanien gesammelt.

Mit Streichhölzern als Arme, Eicheln als Hüte und kleinen Holzstücken als Beine bastelten sie daraus viele Kastanienmännchen.

Sie stellten die Figuren auf die Fensterbank ihres Kinderzimmers.

„Die passen heute Nacht auf uns auf“, sagte Anna und gähnte.

Jonas nickte. „Die sehen fast lebendig aus.“

Kurz darauf schliefen die beiden tief und fest.

Draußen aber wurde der Mond heller und heller, bis er die Kastanienmännchen mit seinem silbrigen Schein berührte.

Da geschah es.

Das erste Kastanienmännchen blinzelte.

Es reckte seine Streichholz-Arme, wackelte ein wenig mit den Beinen und sprang von der Fensterbank auf den Boden.

„Wach auf, Freunde, es ist Vollmond“, flüsterte es mit zarter Stimme.

Eines nach dem anderen öffneten die Kastanienmännchen die Augen.

Sie schauten sich um, sahen den hellen Mond und lachten leise.

„Lasst uns tanzen“, rief das größte von ihnen, das eine Eichelkrone trug.

Die kleinen Männchen fassten sich an den Händen und bildeten einen Kreis.

Ganz sanft begannen sie zu singen.

Ihre Stimmen klangen wie das Rascheln von Blättern und wie das leise Plätschern eines Baches.

„Kling, Klang, kleiner Herbst, wir tanzen durch die Nacht.

Kling, Klang, Mondenschein, du hast uns wach gemacht.“

Die Lieder waren kaum lauter als ein Flüstern, aber wunderschön.

Anna drehte sich im Schlaf und lächelte, als hätte sie die Melodie in ihren Traum gewebt.

Die Kastanienmännchen tanzten, hüpften, drehten sich und lachten.

Ihre Schatten huschten über die Wände, und das Kinderzimmer war erfüllt von einer leisen, magischen Wärme.

Jonas murmelte im Schlaf: „Schön… sehr schön…“

Die Kastanienmännchen hielten inne und verbeugten sich zum Fenster hinaus, wo der Mond sie freundlich anstrahlte.

„Danke, lieber Mond“, flüsterten sie.

„Ohne dich könnten wir nicht singen.“

Der Mond schickte einen besonders hellen Strahl durch das Fenster, und für einen Moment glitzerten die kleinen Figuren wie aus Silber.

Dann wurde es still.

Die Kastanienmännchen kehrten zurück auf die Fensterbank.

Eines nach dem anderen ließ sich nieder, schloss die Augen und blieb ganz reglos sitzen – wieder wie ein einfaches Bastelwerk.

Am Morgen wachten Anna und Jonas auf.

„Siehst du das?“, fragte Anna verwundert.

Die Kastanienmännchen standen anders als gestern.

Einige hielten sich an den Händen, eines verbeugte sich, und auf dem Boden lag ein winziger, goldener Blattkranz, den niemand von ihnen gebastelt hatte.

Jonas grinste. „Ich glaube, sie waren heute Nacht lebendig.“

Anna nickte fest.

„Dann lass uns heute noch mehr basteln. Vielleicht gibt es dann bald ein ganzes Orchester.“

Und so sammelten sie neue Kastanien, lachend und voller Vorfreude auf die nächste Vollmondnacht.

Der Herbstwind wehte, und irgendwo zwischen den Bäumen hörte man ein ganz, ganz leises „Kling, Klang…“

Gute Nacht.