Erich, der kleine Klabautermann, dachte, er hätte das Geheimnis der Flutkiste bereits gelüftet.

Doch in der Nacht, als das Meer besonders leise war, begann die Kiste erneut zu flüstern.

Viel Spaß mit dieser Gute-Nacht-Geschichte.

...

Erich, der kleine Klabautermann, saß auf der Reling des alten Segelschiffs.

Seine Beine baumelten über dem Wasser.

Das Meer war ruhig.

Ungewöhnlich ruhig.

Die Flutkiste stand hinter ihm.

Geschlossen.

Still.

Und doch wusste Erich:

Sie war wach.

„Du kannst mir nichts vormachen“, murmelte er leise.

Die Flutkiste antwortete nicht.

Aber sie knarrte.

Ganz sacht.

So, als würde sie atmen.

Seit dem letzten Abenteuer wusste Erich, was die Flutkiste war.

Keine Schatztruhe.

Kein Werkzeug.

Sondern ein Hüter.

Ein Hüter für das Gleichgewicht der Gezeiten.

Für Ebbe.

Und Flut.

Für das Kommen.

Und Gehen.

Erich hatte versprochen, gut auf sie aufzupassen.

Und das tat er auch.

Jede Nacht.

Doch in dieser Nacht war etwas anders.

Das Meer glitzerte nicht.

Die Sterne spiegelten sich kaum im Wasser.

Und der Wind hielt den Atem an.

Dann hörte Erich es.

Ein Flüstern.

Nicht von der Flutkiste.

Sondern vom Meer selbst.

„Erich…“

Der kleine Klabautermann stellte die Ohren auf.

„Das ist neu“, sagte er leise.

Er öffnete vorsichtig den Deckel der Flutkiste.

Kein Licht strömte heraus.

Keine Welle.

Nur ein sanfter, warmer Klang.

Wie ein Herzschlag.

In der Kiste lag etwas, das vorher nicht da gewesen war.

Eine kleine Muschel.

Schimmernd.

Mit feinen Linien, die wie Karten aussahen.

„Aha“, sagte Erich.

„Eine Aufgabe.“

Die Muschel führte ihn zum Bug des Schiffs.

Dann weiter.

Über das Wasser.

Erich lief, als wäre das Meer fest.

Denn für Klabautermänner ist es das manchmal.

Am Horizont sah er es.

Ein kleines Boot.

Verlassen.

Es trieb hilflos in der falschen Strömung.

Die Flut war zu früh.

Die Ebbe zu spät.

Alles war durcheinander geraten.

Erich setzte sich an den Rand des Bootes.

„Na, du hast wohl deinen Takt verloren“, sagte er ruhig.

Das Boot antwortete nicht.

Aber es schwankte dankbar.

Erich nahm die Muschel.

Hielt sie ins Wasser.

Und flüsterte:

„Bitte erinnere dich.“

Das Meer horchte.

Die Wellen ordneten sich.

Langsam.

Geduldig.

Zurück auf dem Schiff schloss Erich die Flutkiste wieder.

Sie war schwerer geworden.

Nicht mit Dingen.

Sondern mit Verantwortung.

„Du wirst mir wohl noch viele Aufgaben geben“, sagte Erich freundlich.

Die Kiste knarrte.

Zufrieden.

Erich setzte sich wieder auf die Reling.

Das Meer glitzerte nun wieder.

Die Sterne lächelten.

Und irgendwo tief im Wasser wusste die Zeit wieder,

wann sie kommen durfte.

Und wann sie gehen musste.

Erich gähnte.

„Nicht schlecht für eine Nacht“, murmelte er.

Dann schloss er die Augen.

Denn auch kleine Klabautermänner brauchen Schlaf.

Vor allem, wenn sie Hüter der Flut sind.

Und so wachte Erich weiter über das Meer und seine Geheimnisse.

Nicht laut.

Nicht wichtig.

Aber genau richtig.

Denn manchmal reicht ein kleiner Klabautermann,

damit alles im richtigen Rhythmus bleibt.