

Tief unten im Bauch eines alten Segelschiffes lebt ein ungewöhnlich freundlicher Klabautermann namens Erich.
Er beschützt die Matrosen, repariert heimlich das Schiff und hütet ein Geheimnis, das eines Tages ans Licht kommen muss.
Viel Spaß mit dieser Gute-Nacht-Geschichte.
...
Unter dem knarrenden Deck eines alten Segelschiffes lebte ein Klabautermann namens Erich.
Er war nicht größer als eine Teekanne und trug eine kleine, verwaschene Mütze, die immer ein bisschen schief saß.
Seine Aufgabe war es, das Schiff zu beschützen.
Jede Nacht schlich er über das knarzende Holz, zog lockere Nägel nach, strich über die Planken und sang leise vor sich hin.
Die Matrosen wussten nichts von ihm.
Sie spürten nur manchmal ein warmes Gefühl, als würde jemand über sie wachen.
Eines Abends, als das Schiff sanft über die Wellen glitt, hörte Erich ein leises Weinen.
Er blieb stehen, lauschte und folgte dem Geräusch.
Hinter einem Fass, zwischen alten Seilen, saß ein kleiner Fuchs.
Er hatte ein weiches, rostrotes Fell und große, traurige Augen.
Erich setzte sich neben ihn.
„Was machst du hier, kleiner Freund?“, fragte er sanft.
Der Fuchs schniefte.
„Ich bin mit den Kisten an Bord gekommen. Aus Versehen. Und jetzt weiß ich nicht, wo ich hingehöre.“
Erich legte eine seiner winzigen Hände auf den Fuchsrücken.
„Bei mir bist du sicher. Ich helfe dir.“
Der Fuchs wischte sich mit der Pfote über die Nase und kuschelte sich näher.
Gerade als Erich ihn trösten wollte, hörte er ein dumpfes Grollen.
Das ganze Schiff vibrierte.
Erich sah nach oben.
„Das klingt nach einem Sturm“, murmelte er.
Und tatsächlich begann das Schiff kurz darauf heftig zu schwanken.
Die Matrosen liefen über das Deck, die Segel knatterten, und der Wind heulte wie ein wildes Tier.
Erich wusste, dass er jetzt gebraucht wurde.
Er sprang auf und sagte: „Bleib hier, Fuchsfreund! Ich muss etwas überprüfen.“
Der kleine Fuchs nickte tapfer.
Erich huschte durch die dunklen Räume des Rumpfes, bis er vor einer alten, mit Muscheln bedeckten Holztruhe stand.
Es war die Flutkiste.
Nur Klabautermänner wussten von ihr.
Sie enthielt einen alten, magischen Tropfen Licht, der das Meer beruhigen konnte.
Doch die Kiste war fest verschlossen.
Erich legte beide Hände auf das Schloss.
„Bitte“, flüsterte er, „öffne dich.“
Das Schloss glühte kurz auf, dann klickte es leise.
Die Kiste sprang einen Spalt auf.
Drinnen lag ein kleiner, strahlender Lichtball.
Erich nahm ihn vorsichtig heraus.
Er fühlte sich warm an, wie eine Miniatursonne.
„Damit schaffe ich es“, sagte Erich.
Er rannte zurück zum Fuchs, der tapfer auf ihn gewartet hatte.
„Was ist das?“, fragte der Fuchs mit großen Augen.
„Das ist das Herz des Meeres“, erklärte Erich. „Wenn ich es ins Wasser lege, beruhigen sich die Wellen.“
„Aber das schaffen wir doch nicht allein“, meinte der Fuchs zaghaft.
Erich lächelte.
„Oh doch. Zusammen schaffen wir alles.“
Gemeinsam kletterten sie über eine schmale Leiter nach oben und erreichten eine kleine Luke, durch die man hinaus aufs Deck gelangen konnte.
Der Sturm rüttelte am Holz.
Wind peitschte hinein.
„Hab keine Angst“, sagte Erich. „Ich bin bei dir.“
Der Fuchs nickte tapfer und blieb dicht an seiner Seite.
Erich hielt den Lichtball fest in beiden Händen.
Die Matrosen bemerkten die beiden nicht, sie waren zu sehr mit den Segeln beschäftigt.
Erich und der Fuchs schlichen zum Rand des Schiffes.
Die Wellen waren hoch wie Berge.
Erich hob den Lichtball über den Kopf.
„Beeil dich!“, rief der Fuchs, denn eine mächtige Welle kam auf sie zu.
Mit einem mutigen Sprung warf Erich den Lichtball ins Meer.
Im gleichen Moment krachte die große Welle über das Deck.
Doch bevor sie das Schiff traf, wurde sie zu weichem, glitzerndem Schaum.
Ein goldenes Leuchten breitete sich über die Wasseroberfläche aus.
Welle für Welle wurde kleiner, wie ein schlafendes Tier, das sich beruhigte.
Der Sturm legte sich.
Der Wind flaute ab.
Und plötzlich war alles still.
Die Matrosen sahen sich verwirrt an.
„Seltsam“, murmelte einer. „Hat jemand das gesehen?“
Aber niemand hatte Erich und den Fuchs bemerkt.
Die beiden standen tropfnass an der Reling und lächelten.
Der Fuchs schüttelte sich.
„Du hast es geschafft!“, sagte er.
Erich schüttelte den Kopf.
„Wir haben es geschafft.“
Der Fuchs stupste ihn an.
„Darf ich bei dir bleiben? Ich mag das Schiff. Und ich mag dich.“
Erich zog seine kleine Mütze gerade und nickte.
„Natürlich, kleiner Freund. Jeder Klabautermann braucht einen Gefährten.“
Sie gingen zurück unter Deck, wo die Planken warm und gemütlich waren.
Erich trocknete den Fuchs mit einem alten Segeltuch ab.
„Die Welt ist manchmal stürmisch“, sagte er. „Aber mit einem Freund an seiner Seite ist alles ein bisschen heller.“
Der Fuchs kuschelte sich an ihn.
Erich legte seinen Arm um ihn.
Und während das Schiff ruhig auf den Wellen schaukelte, schlossen beide die Augen und hörten dem leisen Singen des Meeres zu.
So begann die Freundschaft zwischen Erich, dem kleinen Klabautermann, und dem mutigen Fuchs, der aus Versehen aufs Schiff gekommen war.
Und nie wieder fühlten sich die beiden allein.

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Wir wünschen dir ganz viel Spaß beim Lesen oder Anhören.
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