Als Leni von einem alten Maler einen ganz besonderen Pinsel geschenkt bekommt, ahnt sie nicht, dass er magische Kräfte besitzt.

Denn mit jedem Strich werden ihre Farben lebendig und die Welt erstrahlt in neuem Glanz.

Viel Spaß mit dieser Gute-Nacht-Geschichte.

...

Der Regen hatte gerade aufgehört, und über dem Dorf stand ein wunderschöner Bogen aus Licht.

Leni stand am Fenster und sah staunend hinaus.

„Wie schön der Himmel aussieht“, flüsterte sie.

Da klopfte es leise an der Tür.

Ein alter Mann mit grauem Bart und bunten Farbflecken auf seiner Jacke stand davor.

Er trug eine Mappe und einen Pinsel, der in allen Farben glitzerte.

„Guten Tag, kleines Fräulein“, sagte er mit freundlicher Stimme. „Ich bin Maler Matteo. Ich habe gehört, du liebst Farben.“

Leni nickte. „Oh ja! Ich male fast jeden Tag. Blumen, Tiere, manchmal auch den Himmel.“

Matteo lächelte geheimnisvoll. „Dann bist du genau richtig. Ich bin zu alt zum Malen geworden, aber dieser Pinsel hier, er braucht jemanden mit einem warmen Herzen.“

Er reichte ihr den schimmernden Pinsel.

„Er ist etwas Besonderes. Was du mit ihm malst, wird lebendig, aber nur, wenn du es mit Freude tust.“

Leni staunte. „Lebendig? Wirklich?“

Der alte Mann nickte. „Aber sei achtsam. Nur wer Gutes malen will, kann ihn richtig führen.“

Dann verabschiedete er sich und verschwand im Sonnenlicht.

Leni setzte sich sofort an ihren Maltisch.

Sie tauchte den Pinsel in ihre Farbgläser.

Rot, Gelb, Blau,  jede Farbe funkelte, als würde sie atmen.

Zuerst malte sie eine Wiese mit bunten Blumen.

Plötzlich bewegten sich die Blüten, sie öffneten ihre Blätter und neigten sich sanft im Wind.

Leni hielt den Atem an.

„Das ist ja unglaublich!“

Sie malte weiter: einen Schmetterling, der flatternd durch ihr Zimmer flog, und eine kleine Wolke, die über dem Fenster schwebte.

Dann hörte sie plötzlich eine leise Stimme.

„Danke, dass du uns zum Leben erweckt hast“, sagte der Schmetterling. „Aber draußen sieht es so grau aus. Könntest du nicht auch den Himmel malen?“

Leni blickte nach draußen. Die Sonne war hinter dunklen Wolken verschwunden.

„Vielleicht hast du recht“, sagte sie leise.

Sie öffnete das Fenster, hielt den Pinsel in den Wind und begann zu malen.

Ein sanfter Bogen aus Farben breitete sich über den Himmel.

Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett,  jede Farbe glühte wie ein Versprechen.

Der Regenbogen spannte sich vom Wald bis zum Kirchturm.

Da kamen Kinder aus ihren Häusern, blieben stehen und lächelten.

Die Vögel begannen zu singen, und sogar die Wolken schienen heller zu werden.

Leni malte weiter, kleine Sonnenstrahlen, funkelnde Tropfen, eine glitzernde Pfütze, in der sich der Himmel spiegelte.

„So viel schöner kann die Welt sein, wenn man sie bunt macht“, flüsterte sie.

Da ertönte plötzlich eine leise Stimme aus dem Himmel.

„Leni, du hast das Herz des Pinsels gefunden“, sagte der Regenbogen. „Du malst nicht nur Farben, du malst Freude.“

Leni spürte, wie der Wind sie streichelte.

Sie legte den Pinsel vorsichtig zur Seite.

Am Abend, als sie müde wurde, lag der Pinsel still auf dem Tisch.

Er glühte noch ein wenig, als wollte er schlafen gehen.

Leni lächelte, kuschelte sich ins Bett und sah durch das Fenster.

Der Regenbogen war längst verblasst, aber der Himmel schimmerte sanft in zartem Gold.

„Danke, Matteo“, flüsterte sie. „Ich werde weiter malen, jeden Tag ein bisschen Glück.“

Dann schloss sie die Augen, und im Traum tanzten Farben durch die Nacht.

Und irgendwo, ganz leise, lachte der Pinsel vor Freude.