Mila liebt es, am Bach entlangzugehen und den Wellen zuzuschauen. Doch eines Abends hört sie etwas ganz Besonderes: Der Fluss beginnt mit ihr zu flüstern. Er erzählt von alten Geheimnissen der Natur und Mila erkennt, dass man manchmal nur still sein muss, um Wunder zu hören.

Viel Spaß mit dieser Gute-Nacht-Geschichte.

...

Mila war ein neugieriges Mädchen mit großen, wachen Augen.

Sie liebte es, draußen zu spielen, barfuß durch die Wiesen zu laufen und die kleinen Käfer zu beobachten.

Doch am allerliebsten ging sie zum Fluss.

Er schlängelte sich hinter dem Dorf entlang, murmelte über Steine und glitzerte in der Sonne wie ein langer, silberner Faden.

Manchmal setzte sich Mila ans Ufer, lauschte dem Plätschern und stellte sich vor, der Fluss würde Geschichten erzählen.

Eines Abends, als die Sonne gerade hinter den Bäumen verschwand, blieb Mila wieder am Fluss sitzen.

Das Wasser rauschte lauter als sonst, und plötzlich hörte sie eine leise Stimme.

„Mila … Mila …“

Mila riss die Augen auf.

„Wer ruft mich da?“, fragte sie verwundert.

„Ich bin es, der Fluss“, rauschte die Stimme. „Du hast so oft gelauscht, dass du nun meine Sprache verstehst.“

Mila hielt den Atem an. „Der Fluss spricht wirklich mit mir!“

Vorsichtig fragte sie: „Was willst du mir erzählen?“

Das Wasser glitzerte geheimnisvoll.

„Ich trage viele Geheimnisse“, flüsterte der Fluss. „Ich habe die Lieder der Vögel gehört, die am Morgen trinken. Ich kenne die Träume der Bäume, deren Wurzeln mich berühren. Und ich weiß vom Glanz der Sterne, die sich nachts in mir spiegeln.“

Mila war ganz verzaubert.

„Das klingt wunderschön“, sagte sie leise. „Kannst du mir noch mehr erzählen?“

Der Fluss rauschte und gurgelte.

„Wenn du still bist und genau hinhörst, dann lernst du auch, die Sprache der Natur zu verstehen. Jeder Stein, jedes Blatt, jede Welle hat etwas zu sagen.“

Mila schloss die Augen und lauschte.

Da hörte sie plötzlich das Kichern der Libellen, die über das Wasser schwirrten.

Sie hörte das tiefe Brummen der Steine am Grund, die schon seit Hunderten von Jahren dort lagen.

Und sie hörte das leise Seufzen der Wiesenblumen, die den Regen erwarteten.

Mila öffnete die Augen und lächelte.

„Ich verstehe es!“, rief sie.

Der Fluss glitzerte. „Dann nimm meine Botschaft mit: Wer zuhört, entdeckt die Wunder, die überall sind.“

Von diesem Tag an besuchte Mila den Fluss noch öfter.

Sie erzählte ihm ihre kleinen Sorgen, und er antwortete mit einem beruhigenden Plätschern.

Und wenn sie den Tieren und Pflanzen zuhörte, fand sie immer genau das, was ihr Herz brauchte.

So wurde der Fluss ihr Freund und Lehrer.

Und noch heute, wenn Mila am Wasser sitzt, weiß sie:

Das größte Geheimnis liegt im Zuhören.