Tilda mochte Bücher - aber sie mochte es noch mehr, sich Geschichten auszudenken. Eines Abends, als sie in der alten Bibliothek ihrer Oma ein besonders verstaubtes Regal berührte, begann das Abenteuer. Denn dieses Regal hatte Flügel. Und es kannte Geschichten, die noch nie jemand gelesen hat …

Viel Spaß mit dieser Gute-Nacht-Geschichte.

...

Tilda saß auf dem Boden der alten Bibliothek.

Die Wanduhr tickte leise.

Nur das Flackern der Leselampe war zu hören.

Sie schlug ein Buch zu.

„Ich kenne das Ende schon“, murmelte sie.

Oma schlief schon lange.

Aber Tilda war noch wach.

Sie wollte etwas Neues entdecken.

Da bemerkte sie ein Regal in der Ecke,

das sie noch nie zuvor gesehen hatte.

Es war schief, staubig und roch nach Abenteuer.

Vorsichtig streckte sie die Hand aus 

und berührte das oberste Buch.

Plötzlich bewegte sich das Regal.

Es zitterte.

Es vibrierte.

Und dann - hob es ab!

Tilda klammerte sich fest.

Das Regal flog durch das Fenster hinaus,

hoch über die Dächer,

in die Nacht hinein.

„Wo geht’s hin?“, rief Tilda.

Ein kleiner Zettel flatterte ihr entgegen.

Darauf stand:

„Jedes Buch ein neues Ziel.

Blättere, wenn du reisen willst.“

Tilda schlug das Buch auf.

Ein Wirbelwind erfasste sie.

Plötzlich war sie in einem Dschungel voller sprechender Papageien.

„Willkommen, Tilda!“, rief ein blauer Vogel.

„Wir brauchen deine Hilfe! Der Regenbogen ist verschwunden!“

Sie half den Papageien, die verlorene Farbe zu finden.

Sie mischten Früchte, Federn und Lieder 

und der Regenbogen war gerettet.

Zurück auf dem Regal schlug Tilda das nächste Buch auf.

Jetzt landete sie auf einem Wolkenschiff,

gesteuert von einer Katze mit Kapitänsmütze.

„Du bist unsere neue Navigatorin!“, schnurrte sie.

„Bring uns durch das Träumeland!“

Tilda lächelte.

Sie hatte keine Angst.

Nur Mut und Neugier.

Sie reiste in Unterwasserbibliotheken,

durch Kuchenstädte und zu fliegenden Inseln.

Überall half sie, lachte sie, lernte sie.

Aber irgendwann wurde sie müde.

Sehr müde.

„Ich glaube, ich möchte heim“, flüsterte sie.

Das Bücherregal verstand.

Es trug sie zurück,

leise, sanft und sicher.

Wieder in der Bibliothek,

kletterte sie hinunter,

zog sich die Decke bis zur Nase

und flüsterte:

„Morgen lese ich weiter.“

Denn sie wusste:

Jedes Buch ist eine Tür.

Und das Regal wartet nur auf den nächsten Leser.