Es gibt eine Drachenfliege, die mit ihren glitzernden Flügeln kleine Funken in die Abendluft malt und ein ganz besonderes Geheimnis hütet.

Wohin ihn der Abendwind heute trägt, erfährst du in dieser sanften Vorlesegeschichte.

Viel Spaß mit dieser Gute-Nacht-Geschichte.

...

Fritz war eine kleine Drachenfliege mit schimmernden blaugrünen Flügeln.

Er lebte an einem stillen Teich, der in der Abendsonne wie flüssiges Gold glitzerte.

Wenn Fritz durch die Luft flog, sah es aus, als würde er winzige Sterne hinter sich herziehen.

Die anderen Tiere nannten ihn liebevoll den Funkenflieger.

Fritz liebte es, dem Abendwind zu folgen.

Der Abendwind war weich, warm und roch nach Wald, Blumen und kleinen Abenteuern.

Immer wenn die Sonne langsam unterging, machte sich Fritz bereit.

Er schüttelte seine Flügel, atmete tief ein und lauschte.

Denn der Abendwind flüsterte ihm jeden Tag etwas Neues zu.

Eines Abends saß Fritz auf einem breiten Seerosenblatt und wartete.

Am Ufer knisterten die hohen Gräser.

Ein kleiner Fuchs mit schlauen Augen lugte neugierig zwischen zwei Büschen hervor.

Der Fuchs hieß Filou und war ein guter Freund von Fritz.

Filou mochte die Art, wie Fritz durch die Luft wirbelte.

Er sagte oft:

„Du fliegst wie ein Stück Musik.“

Fritz lachte immer leise, denn er mochte solche Worte.

Gerade als er wieder lachen wollte, hörte er ein leises Schluchzen.

Es kam aus der Nähe eines umgestürzten Baumstamms.

Fritz flog vorsichtig hinüber.

Dort saß ein winziger Käfer mit gelben Punkten auf dem Rücken.

Seine Fühler zitterten.

„Was ist los?“, fragte Fritz sanft.

Der Käfer schniefte.

„Ich heiße Benni. Ich wollte heute zum großen Abendglühfest, aber der Weg führt über die hohe Baumwurzel. Und ich… ich traue mich nicht.“

Fritz setzte sich neben ihn.

„Die Wurzel ist wirklich hoch“, sagte er.

„Aber vielleicht kann ich dir helfen.“

Benni wischte sich die Augen.

„Wie denn? Du kannst fliegen, ich nicht.“

Fritz dachte nach.

Der Teich glitzerte still.

Die Sonne sank langsam und färbte alles goldorange.

Filou der kleine Fuchs kam herübergetrottet.

„Ihr seht ja aus, als braucht ihr Hilfe“, sagte er freundlich.

Benni sah zu Filou hoch.

„Ich möchte so gern zum Abendglühfest, aber ich habe Angst vor der großen Wurzel.“

Filou setzte sich hin und schlug seinen buschigen Schwanz um Benni.

„Angst ist nichts Schlimmes“, sagte er.

„Angst bedeutet nur, dass dir etwas wichtig ist.“

Benni staunte.

„Wirklich?“

Filou nickte.

„Natürlich. Und Fritz ist der beste Funkenflieger im ganzen Wald. Wenn jemand eine Lösung findet, dann er.“

Fritz glitzerte ein wenig vor Freude.

„Vielleicht kann ich dir zeigen, dass die Wurzel gar nicht so furchteinflößend ist“, sagte er.

„Komm mit.“

Benni zögerte, aber er folgte Fritz.

Gemeinsam flogen und liefen sie zur großen Baumwurzel.

Sie ragte hoch wie ein kleiner Hügel aus dicken, verschlungenen Linien.

Als Benni sie sah, zitterten seine Fühler wieder.

„Oh je“, flüsterte er.

„Die ist ja noch größer als gedacht.“

Fritz stellte sich ganz nah neben ihn.

„Benni, schau nur hin“, sagte er.

„Ich fliege einmal vor und zeige dir den Weg.“

Er hob ab.

Seine Flügel glitzerten im Abendlicht wie funkelnde Edelsteine.

Er flog langsam, nicht wie sonst schnell und wirbelnd.

Er flog so, dass Benni wirklich alles erkennen konnte.

Er landete auf dem höchsten Punkt.

„Siehst du?“, rief er lächelnd.

„Hier oben ist genug Platz. Und der Weg ist gar nicht so steil.“

Benni schaute nach oben.

Er fühlte noch immer die Angst, aber sie fühlte sich kleiner an.

Filou stellte sich neben ihn.

„Ich laufe neben dir her“, versprach er.

„Und wenn du magst, halte ich dabei deinen Flügel fest.“

Benni musste lachen.

„Ich habe gar keine Flügel.“

„Eben“, sagte Filou und griente.

„Dann kann ich auch nichts falsch machen.“

Benni atmete tief ein.

Dann setzte er ein kleines Beinchen auf den Anfang der Wurzel.

Der erste Schritt fühlte sich wackelig an.

Der zweite war schon etwas fester.

Der dritte Schritt war fast mutig.

Schritt für Schritt kletterte Benni hinauf.

Fritz schwebte über ihm und streute funkelnde Lichtpunkte, die wie kleine Mutsterne aussahen.

Benni merkte, wie sein Herz langsamer schlug.

Er merkte, dass er gar nicht fiel.

Er merkte, dass er es schaffen konnte.

Als er ganz oben angekommen war, blieb er stehen.

Er sah über den Wald, über den Teich, über die funkelnden Lichtpunkte, die Fritz für ihn gemalt hatte.

„Ich habe es geschafft“, flüsterte er.

„Ganz allein.“

Fritz setzte sich neben ihn.

„Nein“, sagte er freundlich.

„Nicht ganz allein. Aber mit deinem eigenen Mut.“

Benni strahlte.

Gemeinsam liefen sie den Weg hinab.

Am Ende der Wurzel öffnete sich ein kleiner Pfad, der direkt zum Abendglühfest führte.

Dutzende Glühwürmchen tanzten bereits in der Luft.

Die Tiere sammelten sich und der Abendwind spielte ein leises, warmes Lied.

Benni lief genau in die Mitte des Festes und wurde von den anderen Käfern freudig begrüßt.

Er drehte sich zu Fritz und Filou um.

„Danke“, sagte er leise.

„Ihr habt mich mutig gemacht.“

Fritz schwebte ein Stück höher, lächelte und sagte:

„Mut wächst dort, wo jemand an dich glaubt.“

Dann tanzte er mit den Glühwürmchen im Abendlicht.

Der Wind strich sanft über den Teich.

Der kleine Fuchs rollte sich zufrieden am Rand zusammen.

Und Fritz die Drachenfliege malte Funken in den Himmel, bis die Nacht ganz weich wurde.

Alles wurde still.

Nur der Abendwind flüsterte noch ein letztes Mal.

Gute Nacht, kleiner Funkenflieger.