Kunigunde die Eule war die Hüterin der Wald-Bibliothek – und sie nahm ihre Aufgabe sehr ernst. Wer ein Buch zu spät zurückbrachte, musste mit ihrem strengen Blick und einer Standpauke rechnen, denn Entschuldigungen akzeptierte sie nicht. Doch eines Tages machte Kunigunde selbst einen Fehler, der ihr zeigte, dass manchmal Nachsicht wichtiger ist als strenge Regeln. Wie die Eule lernte, auch mal ein Auge zuzudrücken, erfährst du in dieser Geschichte.
Viel Spaß mit dieser Gute-Nacht-Geschichte.
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Kunigunde war eine große, graue Eule mit runden Brillengläsern auf ihrer spitzen Nase.
Jeden Tag saß sie in ihrer gemütlichen Bibliothek zwischen hohen Regalen voller Bücher.
Die Bibliothek lag in einem alten Baum mitten im Wald, und alle Tiere kamen gern dorthin, um zu lesen oder sich Geschichten anzuhören.
Kunigunde liebte ihre Arbeit.
Sie sortierte die Bücher mit größter Sorgfalt, staubte sie täglich ab und achtete streng darauf, dass jedes Buch pünktlich zurückgebracht wurde.
Doch wer ein Buch zu spät brachte, musste mit Kunigundes strengem Blick rechnen.
"Ein Tag zu spät!", rief sie dann und plusterte ihre Federn auf.
"Regeln sind Regeln!"
Die Tiere fürchteten diesen Moment.
Kein „Es tut mir leid“ oder „Ich hatte keine Zeit“ half bei Kunigunde.
Sie schüttelte nur ihren Kopf und notierte alles genau in ihrem großen Buch der Ausgeliehenen Bücher.
Eines Tages kam das Eichhörnchen Fridolin mit hängendem Schwanz in die Bibliothek.
Sein Buch über Nüsse und Wintervorräte war zwei Tage überfällig.
Kunigunde zog die Brille von der Nase und blinzelte streng.
"Zwei Tage zu spät, Fridolin!"
Fridolin senkte den Kopf.
"Es tut mir leid, Kunigunde. Mein Baumstamm ist eingestürzt, und ich musste mein Nest neu bauen."
Doch Kunigunde blieb hart.
"Das ist keine Entschuldigung! Regeln sind Regeln!"
Fridolin seufzte und trippelte davon.
Ein paar Tage später kam die kleine Maus Mimi mit einem dicken Buch über Käse-Rezepte.
Sie hielt es ängstlich vor sich und schaute Kunigunde mit großen Augen an.
"Ich habe es vergessen", piepste sie leise.
Kunigunde seufzte laut.
"Vergessen ist keine Entschuldigung!"
Mimi schlich traurig davon.
Die Tiere im Wald begannen, sich zu fürchten, ein Buch auszuleihen.
Lieber lasen sie ihre alten Geschichten, als sich Kunigundes Strenge auszusetzen.
Eines Tages jedoch geschah etwas Unerwartetes.
Kunigunde selbst hatte ein Buch aus dem Regal genommen, um es nach Feierabend zu lesen.
Es war ein besonders altes Buch mit Geschichten aus längst vergangenen Zeiten.
Sie blätterte vorsichtig darin, las bis tief in die Nacht und schlief darüber ein.
Am nächsten Morgen kam ein kleiner Specht in die Bibliothek.
Er wollte genau dieses Buch ausleihen.
Kunigunde blinzelte ihn an.
"Es tut mir leid, aber das Buch ist nicht an seinem Platz", sagte sie.
Der Specht schaute sie mit schief gelegtem Kopf an.
"Aber ich habe mich gestern dafür eingetragen! Es hätte heute hier sein müssen!"
Kunigunde riss die Augen auf.
Sie hatte es doch selbst gelesen!
Und sie hatte vergessen, es rechtzeitig wieder an seinen Platz zu legen.
Zum ersten Mal spürte sie, wie unangenehm es war, ein Buch nicht pünktlich zurückzubringen.
Ganz vorsichtig setzte sie ihre Brille ab und räusperte sich.
"Es... es tut mir leid", sagte sie leise.
Der kleine Specht zwitscherte fröhlich.
"Na gut, Kunigunde! Fehler passieren!"
Die Eule war überrascht.
War das wirklich so einfach?
Durfte man auch mal etwas vergessen?
Von diesem Tag an wurde Kunigunde nachsichtiger.
Sie notierte die Namen der Tiere, die ein Buch zu spät brachten, aber sie hörte ihnen auch zu.
Wenn jemand eine gute Erklärung hatte, nickte sie nur und sagte:
"Beim nächsten Mal versuchst du, daran zu denken."
Die Tiere im Wald staunten nicht schlecht.
Kunigunde war immer noch eine strenge Bibliothekarin, aber sie war nun auch freundlich und verständnisvoll.
Und so kamen die Tiere wieder gern in die Bibliothek, um Bücher zu lesen, Geschichten zu hören und manchmal sogar mit Kunigunde über ihre Lieblingsgeschichten zu plaudern.
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Wir wünschen dir ganz viel Spaß beim Lesen oder Anhören.
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P.S.: Du kannst Onkel Guidos Geschichten auch auf den folgenden Plattformen anhören.