Seit dem geheimnisvollen Flüstern der Insel war Pina keine gewöhnliche Piratin mehr – sie hörte mit dem Herzen und spürte Dinge, die andere übersahen.
Doch eines Morgens weckte ein leises Summen den Tag – es kam vom Strand, aus einer glitzernden, violetten Muschel.
Gemeinsam mit ihrem Papagei Käpt’n Krümel machte sich Pina auf den Weg, denn in dieser Muschel verbarg sich ein neues Abenteuer – eins, das sie bis tief ins Meer führen sollte.
Eine Geschichte über Mut, Freundschaft und das Singen vergessener Stimmen.
Viel Spaß mit dieser Gute-Nacht-Geschichte.
...
Pina saß auf einem wackeligen Holzstuhl vor ihrer kleinen Hütte am Strand.
Der Wind spielte mit ihrem roten Halstuch, und Käpt’n Krümel schlief mit einem Auge offen auf dem Dach.
Die Sonne war noch ganz jung an diesem Tag, und das Meer glitzerte, als hätte jemand tausend Diamanten auf die Wellen gestreut.
Doch dann hörte sie es: ein Summen, so weich und rund wie eine Melodie, die jemand flüstert, damit sie niemand außer dir hört.
Es kam aus dem Sand.
„Krümel! Hast du das gehört?“, flüsterte Pina.
„War wohl nur der Wind, oder hast du dir Seetang in die Ohren gesteckt?“, krächzte Krümel und flatterte neugierig herab.
Pina kramte im Sand, bis ihre Hand auf etwas Kühles stieß.
Eine Muschel!
Aber nicht irgendeine – sie war violett mit goldenen Tupfen und leuchtete leicht, als hätte sie ein eigenes kleines Licht in sich.
Als Pina sie an ihr Ohr hielt, hörte sie keine Wellen wie sonst – sie hörte ein Lied.
Ein leises, trauriges Lied, das von einer vergessenen Stimme sang.
„Jemand da unten braucht Hilfe“, murmelte Pina.
„Da unten? In der Tiefe? Ich bin Papagei, kein Pinguin!“, schnatterte Krümel, aber Pina grinste nur.
Sie packte ihre Schwimmflossen, ihren Muschel-Kompass und natürlich Krümel.
Dann ruderten sie mit dem kleinen Beiboot hinaus in die Bucht.
Je weiter sie fuhren, desto klarer wurde das Lied in der Muschel.
Es war wie eine Einladung.
Mit einem Platschen tauchte Pina ins Wasser, Krümel blieb auf dem Boot und rief:
„Denk an die Luft! Und vergiss nicht wieder hochzukommen!“
Unter Wasser wurde die Welt still und blau.
Bunte Fische tanzten um sie herum, Seesterne klatschten Beifall mit ihren fünf Armen.
Und dann sah sie es – ein versunkenes Wrack, alt und moosbewachsen, wie ein schlafender Riese auf dem Meeresgrund.
Vor dem Wrack lag eine Statue – eine Meerjungfrau aus Stein, mit geschlossenen Augen und einer echten Muschel auf ihrer Brust.
Die Muschel leuchtete.
Pina schwamm näher und hörte: „Nur wer hört, was niemand sagt, kann das Lied erlösen.“
Sie erinnerte sich an das Flüstern der Insel.
Langsam legte sie ihre Hand auf die Muschel und summte leise das Lied, das sie von der violetten Muschel kannte.
Einmal.
Zweimal.
Dreimal.
Da öffnete die Statue ihre Augen – zwei leuchtende Perlen.
Und sie lächelte.
Plötzlich strömte warmes Licht aus der Muschel, das das Wrack erhellte und sich wie Sonnenstrahlen durchs Wasser zog.
Die Fische hielten inne.
Die See war still.
Dann flüsterte die Meerjungfrau: „Danke, dass du mich gehört hast. So viele sind vorbeigeschwommen, doch du hast gelauscht.“
Pina nickte.
„Manchmal muss man einfach still sein, damit man das Richtige hört.“
Die Meerjungfrau schloss noch einmal die Augen, und das Licht verwandelte sich in kleine, funkelnde Kugeln, die aufstiegen und die Wasseroberfläche durchbrachen.
Pina folgte ihnen – zurück zum Boot, wo Krümel bereits ganz nervös auf und ab watschelte.
„Ich dachte schon, ich muss dich fangen wie einen nassen Fisch!“, meckerte er, aber seine Augen glänzten erleichtert.
Zurück an Land legte Pina die violette Muschel neben ihren Kompass.
Und jedes Mal, wenn der Wind vom Meer her wehte, summte sie leise das Lied.
Nicht traurig – sondern voller Hoffnung.
Denn sie wusste: Das Meer hatte viele Stimmen.
Manche flüsterten, manche sangen – und alle warteten nur darauf, gehört zu werden.
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Wir wünschen dir ganz viel Spaß beim Lesen oder Anhören.
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