In dieser kurzen Fabel geht es um einen Regentropfen, der am liebsten gar nicht auf die Erde fallen will. Doch irgendwann muss er sich dann doch auf den Weg machen. Was er wohl auf der Erde erlebt und ob es ihm auf der Erde gefällt?
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Ein kleiner Regentropfen saß im Bauch einer dicken, schweren Wolke.
„Bald wird es regnen“, sagte die Wolke zum Regentropfen. „Dann musst du auf die Erde fallen und den Pflanzen Wasser bringen.“
„Ich will nicht“, sagte der Regentropfen. „Lass mich bei dir bleiben.“
„Doch, du musst …“, antwortete die Wolke. „Die Erde braucht Wasser. Du musst fallen.“
„Ich will nicht“, sagte der Regentropfen noch einmal.
„Keine Sorge, du wirst zu mir zurückkommen“, sagte die Wolke. „Jedes Mal, wenn du zur Erde fällst, kommst du wieder zu mir zurück. Du wirst schon sehen.“
„Nein, ich will nicht“, sagte der Regentropfen ein drittes Mal, doch schon öffnete die Wolke ihren Wattebauch und der Regentropfen fiel hinab.
Er fiel und fiel und kniff die Augen fest zusammen.
Da kam ein Wind, blies die dicken Backen auf und pustete mächtig durch die Luft.
„Ich will nicht“, sagte der Regentropfen, doch schon wurde er vom Wind herumgewirbelt, bis ihm ganz schlecht wurde.
Schließlich fiel er weiter hinab und hielt mitten auf eine Pfütze zu.
„Ich will nicht“, sagte er, doch schon platschte er in die Pfütze hinein.
Sie war nass und kalt und voller Schlamm und der Regentropfen fühlte sich ganz elend.
Da trat ein junges Reh zwischen den Bäumen hervor und lief vorsichtig zum Rand der Pfütze.
Langsam senkte es seinen Kopf zum Wasser hinab und begann zu trinken.
Als es seinen Durst gestillt hatte, zog es seine Nase aus dem Wasser.
„Ich will nicht“, sagte der Regentropfen, doch schon verfing er sich im braunen Fell des kleinen Rehs und wurde aus der Pfütze hinausgehoben.
Der Regentropfen saß auf der Nase des jungen Tieres und wurde mächtig durchgeschüttelt, als das Reh zurück in den Wald lief.
Schließlich ließ es sich auf einer einsamen Lichtung nieder und schlief ein.
Da kam die Sonne heraus und wärmte dem Reh das Fell.
„Ich will nicht“, sagte der Regentropfen, doch schon hatten die Sonnenstrahlen ihn emporgehoben und ihn zurück in den Himmel getragen.
Erschöpft und beschämt kehrte der Regentropfen in den Bauch der Wolke zurück.
„Na, wie ist es dir auf der Erde ergangen?“, fragte die Wolke.
„Es war ganz schrecklich“, sagte der Regentropfen. „Ich will nie wieder auf die Erde fallen.“
„Du musst“, seufzte die Wolke. „Aber wenn du dich so wehrst, dann wird es nur schwerer.“
„Das verstehe ich nicht“, sagte der Regentropfen kleinlaut.
„Du bist ein Regentropfen“, sagte die Wolke. „Du musst der Erde Regen bringen. Das ist deine Aufgabe. Aber die Aufgabe kann schön sein, wenn du möchtest, dass sie schön ist.“
„Das verstehe ich nicht“, sagte der Regentropfen noch einmal.
„Du wirst schon sehen“, sagte die Wolke.
Nach einer Weile wurde der Bauch der Wolke wieder dick und schwer.
„Du musst jetzt fallen“, sagte sie zum Regentropfen.
Doch der Regentropfen blieb stumm.
Die Wolke öffnete ihren Wattebauch und der Regentropfen fiel heraus.
Diesmal ließ er seine Augen weit geöffnet und blickte auf die Erde hinab.
Er sah Städte und Dörfer, Kirchen, Wiesen, Wälder und Felder.
Da kam der Wind und blies die Backen auf.
„Nimm mich mit“, sagte der Regentropfen.
Und der Wind trug ihn sanft über die Erde, bis sie an einen kleinen Bach kamen.
„Nimm mich mit“, sagte der Regentropfen.
Und der Bach trug ihn lustig plätschernd über Steine und Felsen bis ans Meer.
„Nimm mich mit“, sagte der Regentropfen, und die Wellen trugen ihn weit hinaus, wo es warm war und die Sonne schien.
„Nimm mich mit“, sagte der Regentropfen noch einmal.
Und die warme Sonne trug ihn auf ihren Strahlen zurück in den Himmel zu der kleinen, dunklen Wolke.
„Wie ist es dir auf der Erde ergangen?“, fragte die Wolke.
„Gut“, antwortete der Regentropfen und lächelte.
Von nun an freute sich der Regentropfen darauf, zur Erde zu fallen.
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Wir wünschen dir ganz viel Spaß beim Lesen oder Anhören.
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