In den sanften Hügeln rund um den Meerfelder Maar, wo Nebel wie zarte Tücher über die Wiesen ziehen, lebt eine besondere Herde. Dort wachsen Wildpferde frei und friedlich auf – und in diesem Sommer gibt es ganz besonderen Nachwuchs.
Viel Spaß mit dieser Gute-Nacht-Geschichte.
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In einer verborgenen Senke bei Meerfeld, ganz versteckt zwischen alten Buchen und flüsternden Gräsern, lebte eine kleine Herde Wildpferde.
Die Tiere waren kräftig, aber sanft, mit zotteligen Mähnen und wachen Augen.
Kein Zaun hielt sie auf, keine Menschen störten sie – hier galten die Regeln des Waldes, des Windes und der Jahreszeiten.
Es war ein früher Sommertag, als das erste Fohlen geboren wurde.
Die Stute Livia stand im Schutz einer Baumgruppe, während die Vögel über ihr leise sangen.
Neben ihr lag nun ein kleines, zitterndes Wesen mit langen Beinen und einem weichen, braunen Fell.
Sie stupste es vorsichtig mit der Nase an.
„Komm, mein Kleines“, flüsterte sie. „Steh auf, du bist jetzt Teil unserer Herde.“
Das Fohlen wackelte auf den Beinen, fiel einmal um, dann noch einmal, aber schließlich stand es – ganz stolz und noch ein bisschen schief.
Es bekam den Namen Lumo, denn seine Augen leuchteten wie das erste Sonnenlicht über dem Maar.
Ein paar Tage später folgte das nächste Wunder.
Hinter einer kleinen Anhöhe, nahe der alten Eiche, brachte die graue Stute Mira ein filigranes Fohlen zur Welt.
Anders als Lumo war dieses Fohlen fast ganz schwarz, mit einem kleinen weißen Fleck auf der Stirn – wie ein Stern in der Nacht.
Mira nannte es Sternchen.
Bald schon galoppierten Lumo und Sternchen nebeneinander über die Wiesen, ihre Mähnen flatterten im Wind, und sie lernten, wie man Purzelbäume im hohen Gras schlägt.
„Wetten, ich kann bis zur Bachquelle schneller rennen als du?“ rief Lumo eines Tages.
„Niemals! Ich bin ein Nachtstern mit Windflügeln!“ kicherte Sternchen und sauste los.
Die älteren Pferde beobachteten sie mit einem wohlwollenden Blick.
Der Hengst der Herde, ein großer Brauner mit grauem Fell an der Schnauze, hieß Faro.
Er war weise und ruhig, aber wenn Gefahr drohte, konnte er laut wie ein Donner wiehern und die Herde beschützen.
Faro mochte die Fohlen sehr.
Oft ließ er sie zwischen seinen Beinen hindurchlaufen oder zeigte ihnen, wo das Gras am süßesten wuchs.
Doch eines Morgens war etwas anders.
Ein Rascheln im Gebüsch, das nicht vom Wind kam.
Ein Geruch, der fremd war.
Die Herde spitzte die Ohren.
„Bleibt nah bei mir,“ brummte Faro und stellte sich schützend vor Lumo und Sternchen.
Doch aus dem Gebüsch trat kein Feind – sondern ein kleiner Junge.
Er trug eine gelbe Latzhose und hatte erdige Hände.
Er blieb wie verzaubert stehen, als er die Wildpferde sah.
Sie schauten zurück, still wie Statuen.
Der Junge kramte langsam aus seiner Tasche einen Apfel hervor und legte ihn vorsichtig auf einen Baumstumpf.
Dann ging er rückwärts – Schritt für Schritt – und verschwand im Wald.
Faro schnaubte leise, trat näher und beschnupperte den Apfel.
„Er meint es gut“, sagte er und stupste den Apfel zu Lumo.
Von da an erschien der Junge jeden dritten Tag.
Er brachte Möhren, Äpfel oder nur ein paar Eicheln.
Er setzte sich auf den Waldboden und beobachtete die Herde.
Mit der Zeit verlor die Herde ihre Scheu.
Lumo traute sich als erster ganz nah an ihn heran.
Sternchen folgte.
Der Junge streichelte nie – er beobachtete nur, mit einem Herzen, das ganz still und freundlich war.
Und so entstand eine ungewöhnliche Freundschaft.
Der Sommer verging, die Fohlen wurden kräftiger, mutiger, schneller.
Sie kannten nun den Ruf des Kauzes in der Nacht, das leise Glitzern des Taus am Morgen und die geheime Stelle, an der Lavendel wuchs.
Und wenn die Sonne langsam unterging und sich der Himmel rosa färbte, standen Lumo und Sternchen oft auf dem Hügel und schauten hinab auf das glitzernde Maar.
„Weißt du“, sagte Sternchen einmal, „ich glaube, wir sind Teil von etwas ganz Großem.“
„Von einem Zauber?“ fragte Lumo.
„Ja,“ antwortete Sternchen und lächelte.
Und im Wind, der durch das Gras strich, war es, als würden uralte Stimmen flüstern:
„Beschützt sie gut, die kleinen Wilden von Meerfeld.“
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Wir wünschen dir ganz viel Spaß beim Lesen oder Anhören.
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